· 

Hygiene in der Wikingerzeit

Ich wurde gefragt, ob ich etwas zum Thema Haar- und Barttracht der "Wikinger" schreiben könnte und die Antwort ist einfach: Klar kann ich! Doch bevor ich ins Detail gehe, möchte ich erst einmal einen allgemeinen Abriss zum Thema Hygiene geben, das mit den Frisuren unmittelbar zusammenhängt.

 

Ein häufig gefundener persönlicher Gegenstand in Gräbern war der Kamm. Kämme wurden aus Knochen oder auch aus Geweih gefunden. Es gab Kämme aus einem Stück, bei den meisten Funden handelte es sich jedoch um Lagenkämme, die aus mehreren Lagen dünner Knochenplatten bestanden. Während die obere und untere Lage jeweils schmaler waren, wurde in die mittlere Platte, die weiter herausstand, Zinken hineingesägt. Anschließend wurden die Platten miteinander vernietet und oft auch mit geometrischen Mustern verziert.

Die feinzinkigen Kämme eigneten sich hervorragend, nicht nur um das Haar in Ordnung zu halten, sondern vor allem, um lästiges Ungeziefer fern zu halten, bzw. auszukämmen. Kämme wurden sowohl in Frauen- als auch in Männergräbern gefunden. In dem Gräbern höher gestellter Personen wurden sogar "Kamm-Etuis" gefunden, in die der Kamm nach Benutzung gesteckt wurde.

 

Auch andere Grabfunde weisen auf die Reinlichkeit der Leute hin. So gehören zu den persönlichen Gegenständen, die sich in Gräbern finden, oft auch Ohrlöffel, Pinzetten oder Dorne zum Säubern der Nägel. Diese wurden meist am Gürtel getragen. Mitunter fand man sie auch vereint als eine Art Hygienebesteck wie bei einem Fund aus Haithabu. Der Ohrlöffel, das metallische oder beinerne Pendant zu unseren Wattestäbchen, war teilweise kunstvoll verziert. Gerade in Frauengräbern fand er sich dann als Teil des Schmuckensembles an einer Kette, die von einer Fibel herunterhing.

 

Dass die Menschen aus der Wikingerzeit sehr reinlich waren, kann man auch Schriftquellen entnehmen. So steht beispielsweise in der sogenannten Chronica Joannis Wallingford aus aus dem englischen Kloster St. Albans, dass die Dänen dank ihrer Angewohnheit täglich ihr Haar zu kämmen, sonntags zu baden und regelmäßig ihre Kleidung zu wechseln, in der Lage waren, die Tugend der verheirateten Frauen zu untergraben und sogar die Töchter von Edelmännern zu verführen. Witzig ist der vorwurfsvolle Unterton, den der geistliche Chronist dabei an den Tag legt. Die Reinlichkeit der Heiden führt zu schmutzigen, verwerflichen Liebschaften. Dieser Kommentar spricht natürlich nicht gerade für die englische Männerwelt, sodass man es den englischen Damen schwerlich verdenken kann, wenn sie sich einem wohlriechenden Nordmann in die Arme warfen.

 

Ebenfalls über die Hygiene der Wikinger schreibt der arabische Reisende Ahmad Ibn Fadlan. Er berichtet über die Rus, mit denen er im 10. Jahrhundert gemeinsam unterwegs war. In seinem Reisebericht finden wir jedoch weniger Hinweise auf Reinlichkeit: "Sie (die Rus) sind die schmutzigsten Geschöpfe Gottes. Sie schämen sich nicht beim Stuhlgang und Harnen, noch waschen sie sich nach der Befleckung durch Samenerguss, noch waschen sie ihre Hände nach dem Essen". An anderer Stelle schreibt er, dass die Rus täglich ihren Kopf und ihr Gesicht in einer großen Schale mit Wasser wüschen. Nachdem Hände und Gesicht gereinigt worden seien, würden die Haare gewaschen und anschließend mit einem Kamm ausgekämmt. Abschließend würde in die Schale geschneuzt und auch gespuckt. Anstoß nimmt der Muslim dabei daran, dass aller Schmutz, der vom Körper gewaschen wurde, in die Schale wandert. Diese Schale mit dem schmutzigen Wasser würde dann dem nächsten zum Waschen hingehalten, wo das Prozedere von vorne begänne.


Bei der Schilderung Ibn Fadlans ist natürlich dessen Standpunkt zu berücksichtigen. Als Muslim, dem es nur gestattet ist, sich mit fließendem Wasser zu waschen, ist das Waschen in einer Schale ohnehin eine Zumutung. Die Vorstellung, dass dieses Wasser durch das Ausschneuzen und Ausspuken zusätzlich besudelt wird, ist auch aus heutiger Sicht widerlich. Allerdings nimmt man an, dass es eine Übertreibung seinerseits ist, dass dieses Schmutzwasser dem nächsten zum Waschen gereicht wird. Auf diese Weise wollte er betonen, dass die Rus kein so reinliches und zivilisiertes Volk waren wie das seine. Die arabische Quelle ist dennoch aufschlussreich und deckt sich mit den Funden und Schilderungen über die Männer der Wikingerzeit. Die tägliche (Katzen-?) Wäsche und auch Haarpflege war offensichtlich gängige Praxis.


Ähnliches erfahren wir im
Hávamál, wo zu lesen ist, dass damals wie heute das Händewaschen vor den Mahlzeiten üblich war. Auch wird beschrieben, dass man sich vor einem Thing ordentlich zu waschen und sich die Haare zu kämmen hatte, um einen guten Eindruck zu machen, selbst wenn man arm und die Kleider verschlissen waren.
Im Gegensatz dazu erfahren wir ebenfalls aus der Edda, dass die Vernachlässigung der Reinlichkeit in Zeiten großer Trauer akzeptiert wurde, wenn nicht sogar als Zeichen des Verlusts nach außen üblich war. Das Lied
Völuspá erzählt, dass Odin, der um seinen Sohn Baldur trauerte, seine Hände und das Haar ungewaschen ließ. (Diese Vernachlässigung des Äußeren kennt man aus dem Römischen, wo in Erzählungen, Epen und Gedichten geschildert wird, dass Mütter oder Ehefrauen, die trauern, ihre Haare offen tragen und nicht wie üblich zu kunstvollen Frisuren zurecht gemacht. Auch trugen sie dann dunkle ungegürtete Roben und keine bunten und feinen Kleider.)

 

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Menschen, die wir heute Wikinger nennen, keinesfalls ungewaschene Barbaren waren, sondern im Gegenteil durchaus als reinlich bezeichnet werden können. Sie waren auf ihr Äußeres und damit auch auf ihre Außenwirkung auf andere bedacht.

 

- Myrkva -  

 

Literatur:

Schietzel, Kurt: Spurensuche Haithabu (...), Neumünster/Hamburg 2014, S. 282-284.

Togan, A.Zeki: Ibn Fadlan's Reiseberichte, Valdid (ed.) Leipzig, 1939, S. 84.

Williams, G., Pentz, P. & Wemhoff, M.: Die Wikinger, Berlin 2014, S. 70f.

Die Edda. Götterdichtung, Spruchweisheit und Heldengesänge der Germanen, München 2006.

 

Bildnachweis

Foto 1: Museum Trelleborg, Dänemark, 2012, M. Becker.

Foto 2: Museum Haithabu, Deutschland, 2012, M. Becker.

Foto 3: Museum Moesgard, Dänemark, 2019, M. Becker. 

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

Skeiðar Vikingr

Dass wir die Wikingerzeit lieben und uns mit vielen ihrer Facetten beschäftigen, wisst ihr ja bereits. Doch, wie vielfältig die Geschichte der Wikinger tatsächlich ist, das wollen wir den Interessierten unter euch hier näher bringen. 

Wir nehmen euch mit zu tollen Orten und Veranstaltungen, lassen euch bei unseren Handwerken Mäuschen spielen und vermitteln euch auf hoffentlich kurzweilige Art und Weise einen Einblick in die Geschichte des Seefahrervolkes.