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Haartracht der Männer

 

Aktuelle Serien und Filme setzen "die Wikinger" meist mit langen Haaren, Flechtfrisuren oder Undercuts in Szene. Ob es in der skandinavischen Eisenzeit

eine typische Haartracht für Männer gab, ist jedoch ungewiss. Denkbar ist tatsächlich, dass höhergestellte Männer ihr Haar schulterlang trugen, so wie wir es beispielsweise aus dem englischen Mittelalter kennen. Beinamen von Königen wie "Schönhaar" legen dies natürlich nahe. Schaut man sich zeitgenössische Quellen an, so finden sich Abbildungen, die lange Haare zeigen oder dieses erahnen lassen. Ein Beispiel aus dem Adel sind die etwa um das 12. Jahrhundert datierten, reliefartigen Abbildungen König Harald Blauzahns, die in Jelling ausgestellt werden. Ein anderes Beispiel ist der in Elchgeweih geschnitzte Männerkopf, der in Sigtuna gefunden wurde und einen Mann mit schulterlangem Haar zeigt, welches im Nacken zusammengebunden wurde. Gelegentlich finden sich auch in den isländischen Sagen Erwähnungen zu langhaarigen Männern, doch inwiefern diese dichterische Freiheit sind, ist ungewiss.

 

Andere Abbildungen zeigen Männer mit kurzem Haar oder einer Art Topfschnitt. Hier wäre der Wagen aus dem Osebergfund zu nennen, der sowohl Männer in den Schnitzereien am Kasten als auch plastische Männerköpfe an den Achsen zeigt. Die wunderschön verzierte Tür der Stabkirche von Hylestad aus dem 12. Jh. zeigt Szenen aus dem Nibelungenlied. Zu sehen sind Sigurd mit kurzem Haar und Helm und Reginn mit schulterlangem Haar. Inwiefern die Schnitzereien als Beweis für eine standesgemäße Haartracht dienen, ist jedoch ungewiss, zumal sie zeitlich etwas später datiert sind.

Die langen, teilweise geflochtenen und mit Bartperlen versehenen Bärte, die uns ebenfalls im Fernsehen begegnen, machen etwas her, sind allerdings historisch nicht belegt. Zuerst einmal gibt es keine Funde von Bartperlen in Gräbern und auch keine Abbildungen, die darauf hindeuten.

Stattdessen finden sich viele Abbildungen von Männern mit akkurat gestutzten Bärten. Ein Beispiel hierfür ist der geschnitzte Männerkopf am Wagen aus Oseberg, 9. Jahrhundert. Deutlich zu sehen ist hier neben dem Kinnbart ein ausgeprägter Schnauzbart. Auf dem gleichen Objekt befindet sich noch eine andere Männerdarstellung. Hier trägt der Herr einen gewaltigen Schnurres, hingegen ein glatt rasiertes Kinn zur Schau.

Andere Abbildungen von Männern mit Bärten sind beispielsweise der Anhänger aus Gnezdovo oder die Gürtelschnalle aus Ribe. Sicherlich gibt es noch viele weitere Abbildungen. Allen gemein ist jedoch, dass die Bärte recht kurz und gepflegt dargestellt werden. Die meisten zeigen einen auffälligen Schnauzbart, sodass man daraus schließen kann, dass dieser in Mode war.

 

Die einzigen mir bekannten Abbildungen von Männern mit langen Bärten zeigen Gottheiten. Hier wäre die Bronzestatuette aus Rällinge (Schweden, 11. Jh.) zu nennen, die den Fruchtbarkeitsgott Freyr zeigt, wie er sich nachdenklich in seinen langen Spitzbart greift. Eine ähnliche Figur gibt es vom Gott Thor. Dieser hat beide Hände in seinem zweigeteilten Kinnbart, den er offenbar langzieht (Eyrarland, 11.Jh.). Auch der bekannte Runenstein mit der Odinsmaske, der im Moesgaard-Museum zu sehen ist, deutet darauf hin, dass Odin einen langen Bart trägt. Möglicherweise ist der lange Bart ja ein Statussymbol gewesen, das nur den mächtigsten zustand.

 

Festzuhalten ist, dass sich keine sichere Haar- und Barttracht für die Männer der skandinavischen Eisenzeit nachweisen lässt. Es gibt sowohl Hinweise auf schulterlanges als auch auf kurzes Haar. Hinsichtlich der Bärte kann gesagt werden, dass diese keineswegs wild und zauselig, sondern gepflegt und akkurat geschnitten waren. Das beweist unter anderem auch der Fund einer Bartschere aus Haithabu. Der Schnurrbart scheint jedoch ein Musthave gewesen zu sein. Also Männer, Mut zum Schnurrbart!

 

-Myrkva-

 

 

Bildnachweis

1 bis 3: Wagen aus dem Grabfund Oseberg, Vikinskipshuset Oslo, Norwegen, 2020, M. Becker.

4: Portal Hylestad Stabskirche, National Museum Oslo, Norwegen, 2020, M. Becker.

5 & 6: Vikinskipshuset Oslo, Norwegen, 2020, M. Becker. 

7: Stein von Arhus mit "Odinsmaske" (DR 66), Moesgard Museum, Dänemark, 2019, M. Becker. 

8: privat, 2019, M. Becker.

Skeiðar Vikingr

Dass wir die Wikingerzeit lieben und uns mit vielen ihrer Facetten beschäftigen, wisst ihr ja bereits. Doch, wie vielfältig die Geschichte der Wikinger tatsächlich ist, das wollen wir den Interessierten unter euch hier näher bringen. 

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